Moers im Nationalsozialismus – Eine Stadtführung

Im Rahmen des Geschichtsunterrichts nahm die Klasse 9b mit ihrer Lehrerin Frau Achtermeier am Mittwochnachmittag (7.11.2012) an einer Stadtführung durch Moers zum Thema ,,Moers in der NS-Zeit“ teil.

Geleitet wurde der Rundgang von Dr. Bernhard Schmidt, ehemaligem VHS-Direktor und Leiter der NS-Dokumentationsstelle des Stadtarchivs in Moers. Wir trafen ihn an seinem derzeitigen Arbeitsplatz, dem Weißen Haus neben der Statue der Luise Henriette am Schloss.

Herr Schmidt erklärte uns, dass die Moerser nach eigenen Angaben deutschnational waren, jedoch nie nationalsozialistisch. Dies konnte bereits 1994 mit seinem Buch ,,Tatort Moers“ wiederlegt werden, an dem Herr Schmidt maßgeblich mitgearbeitet hat. Auf ca. 540 Seiten wird der Widerstand während der Zeit des Nationalsozialismus in Moers so wie die Unterstützung durch die breite Bevölkerung und Einzelpersonen beleuchtet, ergänzt wird es durch das 2008 erschienene Buch ,,Moers unterm Hakenkreuz“.

Kreisständehaus
Quelle: Stadt Moers CC-BY-NC-ND

NS-Goldfasane vor dem Kreisständehaus
Quelle: NS-Dokumentation Stadtarchiv Moers

Nachdem Herr Schmidt uns über die Kriegsvorbereitungen im Deutschen Reich im Nationalsozialismus und die politischen Gegebenheiten der Zeit, so wie der Blindheit der Anhänger, die die Zeichen für Krieg und Unrecht nicht wahr haben wollten, gingen wir wenige Meter weiter zur ersten Station der Stadtführung, dem alten Landratsamt des Altkreises Moers, auch Kreisständehaus genannt, der bis zur kommunalen Neuordnung 1975 existierte. Das Landratsamt war die einstige Schaltzentrale des Kreises, mit der

Machtübernahme Hitlers bekam auch Moers NS-treue Beamte, die ,,Goldfasane“. Vor dem Gebäude steht zum Gedenken an den Wiederstand gegen den braunen Terror ein Mahnmal. Ursprünglich plante der Verein ,,Erinnern für die Zukunft Moers“, in dem Herr Schmidt Vorstandsmitglied ist, das unter Denkmalschutz stehende Gebäude für eine Dauerausstellungen zu nutzen, sowie die historischen, prunkvollen Räumlichkeiten für das Standesamt und eine Gaststätte. Die Pläne mussten allerdings wegen der schlechten Finanzlage der Stadt Moers, die eigentlich nur eine geringen Kostenanteil tragen sollte, vorerst auf Eis gelegt werden.

Die gesamte Führung über hat uns Herr Schmidt immer wieder historische Dokumente und Bilder gezeigt, die das wahre Geschehen in Moers zu dieser Zeit abbilden.

Herr Schmidt leitete uns weiter zum Friedrichs-Denkmal

Friedrichs-Denkmal
Quelle: Stadt Moers CC-BY-NC-ND

Hindenburgplatz mit NS-Fahnen
Quelle: NS-Dokumentation Stadtarchiv Moers

auf dem Neumarkt, wo wir einem betrunkenen, antisemitischen Mann begegneten, von dem sich Herr Schmidt allerdings nicht aus der Ruhe bringen ließ. Der ehemalige Hindenburgplatz war, wie auf einem Foto zu sehen war, mit Hakenkreuzfahnen- und Flaggen geschmückt worden, als NS-Prominenz in Moers zu Gast war.

Nach einem Zwischenstopp am ehemaligen Stadttor von Moers (Steinstraße, Ecke Neumarkt) gingen wir weiter zum Altmarkt, wo uns Herr Schmidt von einem ehemaligen jüdischen Adolfiner erzählte, der ihm bei einem auf Wunsch des Mannes in französischer Sprache geführten Unterhaltung berichtete, wie er als Jugendlicher vom Fenster aus seinen Kameraden zusah, die, judenfeindliche Parolen brüllend, über den Altmarkt getorkelt sind. Am Haus Kirchstraße 11 sahen wir dann das erste von drei Schildern, das auf den Standort eines von fünf Häusern hinwies, in denen zu jener Zeit sämtliche jüdische Mitbürger gezwungen wurden zu wohnen. Gleichzeitg erklärte uns Herr Schmidt, dass Moers im kommenden Jahr zwei so genannte Stolpersteine (erhöhte Steine im Straßenpflaster, die Aufmerksamkeit erregen sollen, siehe auch den Wikipedia-Artikel) in der Kirchstraße bekommen soll, die an die von den Nazis verfolgten und ermordeten Menschen erinnern sollen, am Beispiel von Mutter und Tochter, die von diesem Ort aus in ein KZ deportiert wurden.

Am vorletzten Punkt, dem Hanns-Dieter-Hüsch-Platz, dann die Erinnerungsplakette für die abgerissenen Synagoge. Diese befindet sich jedoch nicht am Originalplatz, wie wir erfuhren, da der Besitzer des dort stehenden Hauses dies nicht wünschte, sondern ein Haus weiter. Außerdem wurde die Synagoge nicht, wie die Inschrift vermuten lässt, im  Jahr 1938 abgerissen (,,Bis 1938 stand hier die Moerser Synagoge“), sondern erst im Jahr 1975, aus Unwissenheit über den geschichtlichen Hintergrund dieses Hauses, das in der Reichspogrommnacht am, 9. November  1938 durch seine Lage in der Altstadt nicht niedergebrannt werden konnte und daher nach der Schändung des Gottes- und Versammlungshauses zu einem unscheinbaren Wohnhaus umgebaut wurde.

Wir beendeten unsere Führung mit einer Gedenkminute am Mahnmal für die in Moers verfolgten Juden, einem nachgebautem Torbogen der alten Synagoge, in dem auf der Innenseite der Pfeiler die Namen sämtlicher Juden aus Moers, die unter dem braunem Terror leiden mussten, in den roten Stein eingraviert sind. Zum Zeitpunkt unseres Besuches hatten leider Sprayer, vermutlich ohne Wissen um die Bedeutung, die Innenseite mit gelber Farbe beschmiert. Das Mahnmal steht der Ecke zur Dr.-Hermann-Bähr-Straße, die nach dem ehemaligen Arzt und letzten Synagogenvorsteher von Moers benannt ist.  In den Bogen des Mahnmals ist der Psalm 118 (ÖFFNET MIR TORE DER GERECHTIGKEIT) auf hebräischer Sprache auf der Vorderseite und auf der Rückseite in deutscher eingraviert. An diesem Ort findet jährlich eine Gedenkstunde am 9. November (zwei Tage nach unserer Stadtführung) statt, bei der sämtliche in den Stein gravierten Namen verlesen und dem Schicksal der jüdischen Menschen aus Moers gedacht wird.

Letztlich war es für alle eine lehrreiche Führung, bei der die Geschichte der eigenen Heimatstadt näher beleuchtet wurde.

Philipp Oberberg, Max Glotz 9b

Ein Gedanke zu “Moers im Nationalsozialismus – Eine Stadtführung

  1. Danke für diesen informativen Beitrag zur NS-Vergangenheit in Moers! – Auf dem Schulhof des Adolfinum haben wir seit 2001 ein Mahnmal für ehemalige Schüler jüdischen Glaubens, die im Verlauf der 1930er Jahre (1933 kam Hitler an die Macht) die Schule verlassen mussten. Viele von ihnen wurden in Konzentrationslagern umgebracht (vgl. Brigitte Wirsbitzki: Geschichte der Moerser Juden nach 1933, Moers (Brendow-Verlag) 1991). Einige ehemalige Schüler konnten aufgrund glücklicher Umstände ins Ausland fliehen.
    Unser Mahnmal wurde in diesem Jahr im Umfeld von Helloween mit Eiern beworfen. Oberstufenschüler in Sozialwissenschaften flochten am 9. November (1938 gingen fast überall in Deutschland jüdische Synagogen in Flammen auf!) im Gedenken stachelige Rosen in die Namen der ehemaligen Adolfiner jüdischen Glaubens.

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