Jonathan langweilt sich. Also setzt er sich vor den Fernseher. Er drückt den ON-Knopf und die Eins. Das Erste geht an. Sofort hört er die Titelmelodie von „Verbotene Liebe“…, stellt den Fernseher ab und legt sich ins Bett. Er denkt an seinen Onkel. Der hatte sich noch vor Kurzem beschwert, da auch er jetzt Rundfunkbeitrag zahlen müsse. Über 200 Euro im Jahr müsse er jetzt zahlen, und das obwohl er weder Fernseher, noch Radio besitzt. „Den Mist schaue ich nicht!“ hatte er geflucht. Wahrscheinlich hatte er Recht. Seit sein Onkel all das gesagt hatte, hat Jonathan immer mal wieder den Fernseher eingeschaltet, um zu sehen, was sein Onkel da gemeint hatte, als er das Programm im Öffentlich-Rechtlichen als „Mist“ bezeichnet hatte. Nach seiner nun einmonatigen „Recherche“ muss er seinem Onkel recht geben: Die Bandbreite des Programms im Öffentlich-Rechtlichen erstreckt sich tatsächlich von langweilig bis öde.Auch das Programm, das auf vielen Privatsendern läuft, spricht ihn nicht wirklich an. Denn dort besteht das Programm häufig aus Comedy-Serien, Reality-Shows und Wissenssendungen mit vielen Explosionen. Das ist zwar etwas ganz Anderes, als diese Sendungen in ARD und ZDF, deren Zielgruppe bei über 60-Jährigen zu liegen scheint, aber wirklich interessant ist das ganze auch nicht. Er denkt daran, dass selbst seine Eltern das Programm der beiden Hauptsender nicht schauen. Zwar schaut seine Mutter gelegentlich die Sender „arte“ und „einsfestival“, die beide der ARD-Gruppe angehören, doch weder Das Erste, noch das ZDF selbst. Sie hat ihm auch einmal erklärt, dass das Ganze ein Teufelskreis sei. Die Zielgruppe der beiden Sender ist mitgealtert. Das ist ein Problem für ARD und ZDF, denn sie kommen nicht mehr richtig weg von den Rentnern. Beide haben Angst vor der Übergangsphase, die automatisch eintreten würde, wenn sie ihr Programm radikal verjüngen würden. Ein Großteil ihrer jetzigen Zuschauern würde abwandern; vielleicht auch zu Sendern, wie „Sat1 GOLD“, ein Sender, der sich ausschließlich auf die Zielgruppe spezialisiert hat, zu der die von ARD und ZDF immer mehr wird.Bis aber dann die jüngere Generation wieder einschaltet, wird es einige Zeit brauchen. Und das Risiko wollen ARD und ZDF lieber nicht eingehen. Sie versuchen es also mit der sanften Methode: einfach einen neuen Sender für die andere Zielgruppe eröffnen und im Ersten und im ZDF weiter „Rentner-Sendungen“ zeigen. Doch diese Sender sind nicht übermäßig erfolgreich, was wohl auch damit zusammenhängen mag, dass sie nur noch digital gesendet werden, aber viele Empfangsmethoden, wie zum Beispiel DBV-T digitale Sender nicht empfangen können. Außerdem bedienen ein Großteil der öffentlich-rechtlichen Digitalsender derart kleine Zielgruppen, dass fast niemand einschaltet.
Warum aber, schaffen ARD und ZDF es nicht, bei ihren Hauptsendern ein rundes Programm zu senden, wo doch bereits die ARD ein Budget von knapp 6,3 Milliarden Euro hat? Die Antwort ist einfach: Weil sie weder müssen, noch wollen. Denn, das System läuft gut; Das Erste hat vergleichsweise hohe Einschaltquoten bei ihren Serien und macht, während diese laufen, auch den meisten Umsatz durch Werbung. Die wenige Werbung, die die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender zeigen dürfen, läuft fast ausschließlich während der Sendezeit der klassischen Soaps, wie „Rote Rosen“, „Sturm der Liebe“ oder „Verbotene Liebe“. Das Beste daran ist aber, dass derartige Sendungen in der Produktion im Vergleich zu Filmen, die auch rein theoretisch gezeigt werden könnten, sehr günstig sind. Zwar scheinen 3000 bis 4000 Euro pro Minute im ersten Moment recht viel zu sein, doch hat ein Fernsehfilm durchschnittliche Produktionskosten von rund dem Zehnfachen. Dieser Fakt und die Preise, die für die Werbung verlangt werden können, machen das Geschäft mit den Soaps für ARD und ZDF so rentabel.
Da es in Deutschland immer mehr alte Menschen geben wird, hat, zumindest was die Fernsehindustrie angeht, die alte Generation Zukunft. Also werden ARD und ZDF auch in Zukunft nicht viel an ihrem Konzept ändern, recht günstig produzierte Sendungen zu zeigen, die besonders Menschen ansprechen, welche keine besonders hohen Ansprüche an Story und Effekte haben, was eher ältere Menschen sind, und damit Jüngere buchstäblich in die Röhre gucken lassen.
Jonathan ist frustriert. Das ist er immer, wenn er über dieses Thema nachgedacht hat. Er steht aus dem Bett auf und schaltet das Licht an. Er stöhnt kurz und lässt sich in seinen Schreibtischstuhl fallen. Dann schaltet er sein Notebook an und öffnet seinen Browser. Er tippt „youtube.com“ ein. „Scheiß aufs Fernsehen“ denkt er sich und versinkt in den Weiten des Internets.
Arne Arens, 8e